Was ist eigentlich dran am Netz?
Haus der Gewerkschaftsjugend, Oberursel, 21. Februar 2001
Rainer Fischbach
http://www.rainer-fischbach.info
mailto:rainer_fischbach@gmx.net
- Nachlassende Differenzierungskraft:
Der Hip-Faktor nähert sich Null
- Schwindender Grenznutzen:
Erhöhter Zeit/Geldaufwand bringt nichts mehr
- Abnehmende Nutzungsfrequenz:
Die alten Nutzer werden müde
- Nachlassendes Wachstum:
Die Tage des stürmischen Wachstums sind gezählt
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- Ein großes labyrinthisch-verzetteltes Schwarzes Brett
- Eine schnelle Post mit mangelhaften Stilkonventionen
- Ein bisschen Versandhauskatalog
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- Mit allen kommunizieren:
Auch im Netz gilt "the rule of seven"
- Unsere neurophysiologischen Grenzen überwinden:
Das meiste verschwindet in der Lücke zwischen Kurzzeit-
und Langzeit-Gedächtnis
- Beliebig viel Information konsumieren:
Auch im Netz gibt es den Overflow
- Die geometrischen Faktoren der Ergonomie ignorieren;
weshalb der Netzzugsang nur bedingt mobil sein kann
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- Den Raum aufheben:
Die räumliche Polarisierung nimmt zu
- Die Materie überwinden:
Der Ressourcenverbrauch steigt
- Reibungslos funktionierende horizontale
Märkte hervorbringen:
Machtförmige vertikale Integration und
räumliche/soziale Bindungen bleiben bestehen
- Die Gesellschaft demokratisieren:
Die Ungleichheit des sozialen Status,
des Wissens und der Einflussmöglichkeiten wachsen
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- Es gibt weder ein Maß noch ein Messverfahren für Wissen,
die weithin konsensfähig wären
- Es gibt kein exponentielles Wachstum des Wissens
sondern vorübergehend nur der Publikationen:
Redundanz und Irrelevanz herrschen vor
- Die moderne Technik zur Reproduktion und Verbreitung
von Information erzeugt eine Tendenz zur ökonomischen
Entwertung von Wissen
- Die vorherrschenden Verwertungs- und
Steuerungsinteressen verfolgen eine Strategie zur
künstlichen Verknappung von Wissen
- Wissen setzt Information voraus,
doch ist Information kein Wissen;
dessen Bildung setzt den autonomen, kritikfähigen
Intellekt voraus
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- Das Internet wurde nicht gebaut,
um einen Atomkrieg zu überleben und war
dazu auch nie in der Lage
- Das Internet ist auch heute eine fragile Infrastruktur
- Entgegen allen Legenden ist es technisch durchaus möglich,
das Netz zu zensieren
- Das Netz ist ein komplementäres Medium zur Organisation
von Gruppen, deren Identität sich primär außerhalb seiner
bildet, garantiert jedoch nicht deren Organisationsfähigkeit
- Die marktgetriebene Entwicklung der Netzinfrastruktur
erhöht deren Verwundbarkeit und
verhindert die symmetrische Verteilung der Zugangsmöglichkeiten
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- Demokratie braucht die Deliberation sowie
den zwangfreien Diskurs;
und beides braucht Zeit
- Es gibt deshalb keinen Grund, demokratische
Entscheidungsprozesse unter dem Primat der Geschwindigkeit
und der Mühelosigkeit zu organisieren
- Wer schnell und mühelos entscheiden kann,
ist ein lohnendes Manipulationsobjekt und
kann auch schnell Opfer einer Sicherheitspanik werden
- Etwas, was keine Mühe mehr kostet,
wird bald als wertlos wahrgenommen
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- Information ist zur zentralen Kategorie eines
Pseudoverständnisses der Welt geworden
- Metaphern wie die vom "Buch des Lebens",
(das natürlich im "genetischen Code" verfasst sei)
spiegeln eine (scheinbare) Konvergenz von Informatik
und Biologie vor, hinter der nicht mehr als eine
positivistische Verdopplung der Welt steht
- Ein vergleichbares Pseudoverständnis liegt vor,
wenn man Technik als Algorithmus oder Gesellschaft
als Betriebssystem auffassen möchte
- Die Entwicklung von Organismen,
ihr Stoffwechsel mit ihrer Umgebung und
ihre Interaktion sind nicht auf einen
algorithmischen "Code" reduzierbar
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- Ohne die Auseinandersetzung mit realen Gegenständen
und realen Personen ("in meatspace") gelingt weder
die Sozialisation von Individuen noch
die Ausbildung ihres Intellekts
- Die grenzenlose virtuelle/mediale Welt
gebiert Gespenster: Ausufernde Irrationalität,
grassierende Verschwörungstheorien und die wachsende
Neigung zum individuellen Amoklauf sind ihr Preis
- Virtualisierung und Medialisierung lösen
zusammen mit der Verabsolutierung der Werte und
Gesetze des Marktes Bindungen
an Orte und Menschen auf und bringen die
Hemmungen, die bisher die Menschwürde schützten,
zum Verschwinden
- Die Menschen mögen trotz allem nicht auf den Kontakt
mit der realen Welt verzichten; was unter den Bedingungen
einer Warengesellschaft Flucht in den
Konsumismus sowie die fortschreitende Zurichtung der
Lebenswelt im Dienste der Kapitalverwertung
und der Disziplinierung der Individuen
bedeutet
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